Wohngebiete

Vito ist nicht aufgetaucht. Nervös läuft Olivia in ihrem Zimmer auf und ab. Sie hofft, dass ihm nichts passiert ist und findet keine Ruhe, weshalb sie eine Zigarette nach der anderen raucht. Der Umstand, dass sie sich auf ein Geschäft mit einem Mafioso eingelassen hat macht die Sache natürlich nicht umbedingt besser. Dio, welcher Teufel hat sie da bloß geritten?
Unruhig bleibt sie am Fenster stehen und lehnt sich mit dem Rücken daran. Sie hat die halbe Nacht nicht geschlafen. Dementsprechend sieht sie auch aus, wie ihr auffällt, als ihr Blick auf den Spiegel ihr gegenüber fällt. Ihre Haare sind zerzaust, ihre Lippen blass und unter ihren Augen haben sich dicke, dunkle Ringe gebildet. Vor allem mit der Zigarette zwischen den Lippen sieht sie gerade, so findet Olivia, mindestens 10 Jahre älter aus. Seufzend lässt sie den Morgenmantel von ihren schmalen Schultern gleiten und setzt sich aufs Bett. Sie hätte das gestern nicht tun sollen. Aber jetzt war es zu spät.

Polly setzt auf de Bett und blickt sich umm. Sie hat den Abend damit verbracht zu putzen. Nicht, dass sie sich dazu verpflichtet gefühlt hätte. Ganz im Gegenteil. Allerdings hatte sie einfach irgendetwas machen müssen. Seamus hatte ihr natürlich nicht gesagt, wo er hingehen würde, allerdings ist Polly nicht dumm.
Am Nachmittag hat sie sich eine neue Bluse und einen neuen Rock gekauft und ihre alten Sachen in einen Eimer mit Wasser und Soda eingeweicht, in der Hoffnung, dass das Blut sich heraus waschen lässt.
Schweigend drückt sie den Zigarettenstummel in den Aschenbecher, der auf dem kleinen Tischchen neben sich steht, als sie draßen auf der Straße Polizeisirenen hört, die sich schnell nähern. Polly zuckt zusamen, entspannt sich allerdings einen Augenblick später wieder, als sie merkt, dass die Fahrzeuge nur vorbei fahren.

Seamus öffnet schließlich die Tür seines Appartments, dass er ja nun eher unfreiwillig und aus Schuldgefühlen heraus mit Polly teilt. Er hat ein Briefumschlag in seiner Hand, der in dem Kasten, der vor der Tür gelegen hat in der Hand und schließt die Tür hinter sich. "Hallo, falls jemand fragt, ich war den ganzen Tag hier!" sagt Seamus grinsend und zieht sich dann die Jacke erstmal auf. Er setzt sich auf einen Sessel und ihm fällt dann auf, wie sauber es hier auf einmal ist. Geputzt hatte er vorher noch nie, warum auch, so viel wie die Wohnung wert war, würde er sich nicht die Mühe machen. "Du hast hier geputzt? Das hättest du nicht machen müssen!" sagt er und betrachtet Polly "Wie geht es dir?" fragt er dann. Das Kuvert hat er erstmal vergessen, es liegt auf seinem Bein.

"Ich weiß, dass ich das nicht hätte machen müssen. Aber den ganzen Tag herum sitzen und nichts tun liegt mir nicht." Polly zuckt mit den Schultern und sieht kurz hinaus auf die dunkle Straße, als noch ein zweites Polizeiauto vorbei fährt. "Und ja, schon klar. Du warst den ganzen Tag hier. Ansonsten... Den Umständen entsprechend, würde ich sagen. War dein Abend... Erfolgreich? Und darf ich wenigstens erfahren worum es ging oder muss ich es morgen erst in der Zeitung lesen?" Prüfend sieht sie ihn aus zusammen gekniffenen Augen an, mustert ihn von oben bis unten. "Offensichtlich erfolgreich. Sonst würdest du nicht so selbstzufrieden Grinsen."

Seamus lacht und sagt dann "Sagen wir es mal so, Don Culinchi braucht einen neuen Erben." Jetzt erinnert er sich an das Kuvert und öffnet es. Er beginnt die Scheine zu zählen und stellt dann zufrieden fest, dass man ihm sogar noch einen Bonus gegeben hat. Auf einem Zettel steht in gut lesbarer Handschrift Jemand der alleine Arbeitet, soll auch dafür belohnt werden. Statt der versprochenen dreihundertfünzig Dollar sind sogar vierhundertfünfzig drin. Seamus grinst, sicherlich fehlen bei dem Frischling dafür ein Hunderter. Er betrachtet Polly und sagt dann "Du warst einkaufen gut so. Muss ja nicht sein, dass du in den blutverschmierten Sachen rumrennst."

"Ich versuche trotzdem das Blut aus den anderen Sachen zu bekommen." Polly zündet sich eine Zigarette an und verzieht den Mund: "Er hat übrigens noch mehr Kinder, aber das nur so nebenher." kommentiert sie mit trockenem Unterton: "Bist du dir wirklich sicher, dass das gut ist, worauf du dich da einlässt? Ich will ja nun wirklich kein Moralapostel sein, aber die Culincis werden bald dahinterkommen, wer ihre Leute erschießt. Die sind ja auch nicht blöd." Sie zuckt die Schultern und verzieht überlegend den Mund und nimmt einen tiefen Zug von der Zigarette: "Vergiss das nicht."

Seamus zuckt mit den Schultern "Wenn das so weiter geht, werden die Culinchis bald nicht mehr der Rede wert sein. Ich denke bereits jetzt verlassen die ersten Ratten das Schiff und kriechen zu den Carpecci! Glaub mir, wir sind sicher." sagt er und zuckt mit den Schultern "Mag sein, dass er andere Kinder hat, aber es gibt Kinder und es gibt Erben." sagt er grinsend. "Nicht jeder ist dafür geeignet ein Mafiadon zu sein und allein die Botschaft ist eindeutig." sagt Seamus grinsend. "Ich denke, bald haben die Carpecci hier das sagen!" sagt Seamus nickend und zündet sich auch eine Zigarette an. "Und was hast du heute sonst noch gemacht?" fragt er dann.

"Außer einkaufen und putzen?" Polly grinst: "Ich habe den halben Tag verschlafen. Außerdem hatte ich beim Einkaufen ständig das Gefühl dass mir jemand folgt. Ständig, wenn ich um eine Ecke ging, war da ein schwarzer Wagen. Keine Ahnung wer da drin gesessen hat, aber der war dauernd hinter mir. Jedenfalls... Ist es mir irgendwann zu viel geworden und ich bin zu dem Wagen hin. Da ließ der Fahrer den Motor an und ist abgehaun. Hinten saß ein ziemlich schlanker Kerl. Naja. Keine Ahnung." Polly schüttelt den Kopf und zieht die Schultern hoch: "Aber vielleicht werde ich auch einfach nur verrückt. Das kann natürlich auch sein."

Seamus runzelt die Stirn. Schwarzer Wagen, Kerl der hinten drin saß. Das kling ziemlich nach Scarpe, aber er weiß nicht genau was der mit Polly anfangen will. "Das ist ein Freund und er passt auf dich auf!" sagt Seamus schließlich. Ob das stimmt weiß er nicht genau, aber es würde schließlich zumindest Polly beruhigen. Den Rest würde er selbst mit Scarpe klären. Dann lächelt Seamus "Und was wirst du jetzt machen? Wenn du willst kannst du hier weiter wohnen!" Warum er das sagt weiß er nicht wirklich, schließlich ist seine Couch nicht gerade bequem zum schlafen.

"Ein Freund also..." Polly zuckt mit den Schultern: "Mach dir keine Sorgen, du wirst deine Wohnung bald wieder für dich haben. Ich hab noch etwas, was ich morgen zum Pfandleiher bringen kann und dann werde ich mir irgendwo ein Zimmer mieten. Deine Wohnung ist ohnehin ziemlich klein, und... Außerdem zahlst du die Miete. Das heißt ich sollte dein Bett nicht all zu lange besetzen nicht wahr? Außerdem... Möchte ich dein Mitleid nicht zu sehr strapazieren." Denn mehr Mitleid braucht Polly wirklich nicht. Sie hatte in den letzten Tagen ohnehin schon viel zu viel von sich Preis gegeben Seamus gegenüber. Hatte sogar vor ihm geweint, obwohl sie so etwas sonst immer vermied. Und das würde nur noch mehr Ärger geben.

Seamus nickt und sagt dann "Wie du willst, von mir aus kannst du auch hier wohnen bleiben!" sagt er und zuckt mit den Schultern. Er zählt nochmal das Geld und fragt dann Polly "Aber ich weiß nicht, warum du eigentlich wieder zurück auf die Straße willst. Macht es soviel Spaß? Hier kannst du kostenlos leben und auf der Straße musst du wieder 'arbeiten'" sagt er dann, ohne Hohn oder sonstigen Gefühlen in der Stimme.

"Wer hat denn was davon gesagt, dass ich mich verkaufen will?" Polly zieht die Augenbraue hoch und kniet sich auf den Fußboden um ihre Tasche, die sie unters Bett geschoben hat hervor zu holen. Seufzend greift sie nach der Dose und öffnet den Deckel. Schweigend setzt sie sich aufs Bett und holt ein kleines Päckchen hervor und langsam, fast schon behutsam, wickelt sie das bereits vergilbte Papier auf. "Das ist noch von zuhause..." murmelt sie und das Papier gibt einen Augenblick später seinen Inhalt frei. "Viel mehr ist nicht mehr übrig..." Sachte streicht sie mit den Fingerspitzen über das geschwungene goldene Kreuz, das ungefähr Handtellergroß ist. "Es müsste ungefähr 400 Dollar wert sein. Damit komm ich schon eine Zeit lang durch."

Seamus zuckt mit den Schultern "Deine Sache, wenn du deine letzten Erinnerungen einfach so verpfänden willst!" Ihm ist das egal, wenn sie umbedingt ihre eigenen Sachen verpfänden will, dafür dann noch sicherlich über den Tisch gezogen wird und nach ein paar Wochen wieder am Straßenrand steht,dann soll sie es machen.

"Erinnerungen kann man nicht verkaufen... Die sind im Kopf. Das ist nur ein Ding." Sie blickt auf: "Und was statt dessen? Hör mal. Ich bin dir dankbar dafür, dass du mich hier schlafen hast lassen. Das hätte sicher nicht jeder gean. Egal was davor passiert ist."
Unruhig tippt Polly mit der Fußspitze auf den Boden und ihr Blick wandert unstetig im Raum umher: "Allerdings hätte ich noch niemals erlebt, dass so etwas ohne Hintergedanken passiert. Wäre es dir denn so viel lieber, wenn ich dir jetzt auf der Tasche liege und hierbleibe?"